Die Orgelausreinigung

Orgelklang in alter Frische

Bei der Hauptausreinigung der Mühleisen-Orgel hat Ulrike Albrecht dem Orgelbauer Reinhard Metzger kurz über die Schulter geguckt und sich erklären lassen, was es damit auf sich hat.

Vor einigen Tagen, am 21. April 2021, war in der Stuttgarter Zeitung diese schöne kleine Geschichte von Isabelle Christian zu lesen: »Mit meinen Enkelkindern (2 und 4 Jahre) besuchte ich den farbenfroh leuchtenden Schillerplatz-Blumenmarkt. Und so führte uns der Weg auch zur Stiftskirche. Wir traten ein, die Kleinen staunten still mit großen Augen. Plötzlich erklang ein ohrenbetäubender Orgelpfeifen-Ton, dunkel und lang anhaltend. Orgelbauer waren am Werk. Die Kinder erschraken so sehr, dass sie die Kirche fluchtartig verlassen wollten. Um zu verhindern, dass sich dieses Erlebnis einprägt, habe ich durch verhaltenes Rufen und Winken auf uns aufmerksam gemacht. Nachdem ich meine herzliche Bitte geäußert hatte, ein paar wenige sanfte Orgeltöne zu spielen, erklang unerwartet für eine Weile ein so berührendes Musikstück, dass die kleinen Kinder, kniend auf der ersten Kirchenbank, andächtig und fasziniert lauschten. Danke für dieses Geschenk!«

Der Orgelbauer, der die Kinder in der Stiftskirche an diesem Tag zuerst erschreckte und dann verzückte, war Reinhard Metzger. Der studierte Kirchenmusiker und gelernte Orgelbauer ist zurzeit mit einigen Kolleg*innen aus der Leonberger Werkstätte für Orgelbau Mühleisen mit der sogenannten Hauptausreinigung unserer großen Mühleisen-Orgel beschäftigt. Seit Anfang März sind die Orgelbauer bereits am Werk, und noch bis Mitte Mai werden sie brauchen, bis die Orgel blitzblank geputzt ist und in alter Frische erklingt.

Reinhard Metzger, der schon beim Neubau der Mühleisen-Orgel vor 17 Jahren mit dabei war, stimmt und wartet das Instrument seither regelmäßig und musste zuletzt feststellen, dass sich im Lauf der Jahre doch relativ viel Staub im Innern der Orgel und Orgelpfeifen abgelagert hat. Das beeinträchtigt nicht nur die Klangqualität, sondern auch die Stimmhaltung des Instruments. Alle 20 bis 25 Jahre ist eine solche Hauptausreinigung in der Regel fällig. Dass sie sich bei unserer Mühleisen-Orgel schon etwas früher nötig wurde, liegt an der zentralen Innenstadtlage der Stiftskirche und auch daran, dass sie erfreulich gut frequentiert ist. Aber alle Konzertbesucherinnen und Touristen wirbeln auch ordentlich Staub auf. Und dieser Staub dringt dann auch ins Instrument ein.  

Also was ist zu tun? Bei einer Hauptausreinigung werden sämtliche Pfeifen einer Orgel ausgebaut, mit Pressluft ausgeblasen, mit ph-neutraler Seifenlösung feucht abgewischt und an den Kernspalten ausgepinselt. Bei unserer Mühleisen-Orgel in der Stiftskirche sind das immerhin 5366 Holz- und Metallpfeifen, verteilt auf verschiedene Gehäuse. Diese eröffnen eine sinnvolle Möglichkeit, bei der Reinigung in Etappen vorzugehen, so dass die Orgel an jedem Wochenende in den Gottesdiensten spielbar bleibt und nicht monatelang außer Betrieb ist. Das erfordert eine exakte, manchmal auch komplizierte Planung der Abläufe, was nicht immer ganz einfach ist. Aber die Mitarbeiter*innen der Firma Mühleisen haben das bestens im Griff.

Eine Ausreinigung bietet immer auch die Chance, sie mit einer größeren technischen Prüfung zu verbinden und gegebenenfalls kleinere Reparaturen vorzunehmen. Nie sonst kommt man so problemlos an alle Kanzellen, Pfeifenstöcke und Windkästen heran, um ihre Winddichtigkeit und Funktion zu überprüfen und auch kleinste Verschleißerscheinungen, Leckstellen oder Beschädigungen selbst im allerletzten Winkel zu entdecken und zu beheben.

Als ich Reinhard Metzger treffe, arbeitet er gerade intensiv am Klang und an der Intonation des Instruments. Nach 17 Jahren klingen manche Pfeifen hörbar enger oder gepresster als andere – selbst nach der Reinigung. Das wird Pfeife für Pfeife durchgehört und korrigiert. Das Korrigieren und Intonieren ist feinste Millimeterarbeit. Doch mit dem Feingefühl des Kirchenmusiker und der Routine eines erfahrenen Orgelbauers weiß Reinhard Metzger genau, ob, wo und wie er welche Pfeifen bearbeiten muss, um den gewünschten Effekt zu erzielen. So arbeitet er sich Pfeife für Pfeife voran. Zum Glück gibt es eine Fernbedienung, mit der er jede Pfeife ansteuern kann. Ohne dieses elektronische Hilfsmittel bräuchte man zwei Personen, um diese Arbeit zu erledigen. Am Ende, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, erklingt die Mühleisen-Orgel wieder in alter Frische, wie neu. Darauf freut sich Stiftskantor Kay Johannsen schon jetzt. Und darauf dürfen sich auch alle Gäste des Internationalen Orgelsommers freuen – die Organist*innen am Instrument ebenso wie das Publikum im Kirchenraum. Herzliche Einladung!